Noch selten aber tierlieb: Die neue Mutter-Kind-Haltung

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Noch selten aber tierlieb: Die neue Mutter-Kind-Haltung

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Damit eine Kuh kontinuierlich viel Milch gibt, muss sie jährlich ein Kalb gebären. Wie beim Menschen kommt nach neun Monaten das Kalb zur Welt - doch oft wird es noch am selben Tag von der Mutter getrennt. Paradox: Das Kalb wird in den ersten Wochen vom Bauern oder der Bäuerin ernährt und mit Milch aus dem Eimer versorgt. Seine Mutter dagegen versorgt uns Menschen mit Milch für Kuchen, Kakao oder den morgendlichen Cappuccino. Der Thalhof in Heidenheim macht es seit 2016 anders: Hier dürfen Mutter und Kind länger zusammen bleiben.

Herr Spiegel, warum haben Sie diesen Weg eingeschlagen?
Weil der konventionelle Weg, oder eben wie man es früher gemacht hat, nämlich der Mutter das Kalb wegzunehmen und mit dem Eimer aufzuziehen, sehr schmerzhaft ist. Die Mutter sucht ihr Kalb - das blökt nach der Mutter. Wenn man sich das mit anschauen muss, fragt man sich: Warum macht man das eigentlich? Ist das wirklich so praktisch oder geht’s auch anders gut? Einer meiner Mitarbeiter schlug dann die mutter- und ammengebundene Aufzucht vor. 

Wir schufen einen großen Bereich, in dem die Kälber sind und in den die Ammen- oder Mutterkühe einfach dazu kommen können. Wie eine Kita. 

Mutter und Kalb sind nicht die ganze Zeit zusammen?
Nein, die Kälber werden zweimal am Tag von Mutter oder Amme besucht und dürfen am Euter trinken. Hinterher kommen die stillenden Kühe in den Melkstand und wir schauen, ob ihr Euter leer ist. Das geht drei Monate lang so. Bis sie nur noch in ihrer Jungvieh-Gruppe mit Gleichaltrigen unter sich sind. Die erste Woche nach der Geburt verbringen Kalb und Mutterkuh bei uns ganz zusammen in ihrer Abkalbe-Box. Da braucht man auch Platz, gerade wenn mehrere Kühe in der gleichen Zeit abkalben. 

Gibt es den Trennungsschmerz dann verzögert? 
Ja, da gibt’s oft Protest. Bei manchen mehr, bei anderen weniger. Es gibt auch homöopathische Mittelchen, die den Trennungsschmerz lindern. Und wir bereiten das Kalb behutsam vor. Es bekommt bereits eine Weile Heu, damit sich der Pansen gut entwickelt. Und ein bis zwei Wochen vor dem Trennungstag starten wir die Entwöhnungsphase, dann bekommt das Kalb nur noch einmal täglich Milch. 

Warum gibt es Ammenkühe? 
Wenn die Mutter nur ihr eigenes Kalb säugt, dann schafft das Kalb nicht ihre ganze Milch. Das Euter der Mutterkuh ist prall und es kann einen Milchstau geben. Deshalb versuchen wir immer mehrere Kälber an einer saugen zu lassen.

Die Mutterkühe haben so viel Milch, weil sie zu Milchkühen gezüchtet wurden?
Ja, bei einer Fleischkuh dagegen reicht die Milch für genau ein Kalb.

Auf wie viel Milch verzichten Sie durch die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht?
Auf etwa 300 Liter pro Kuh. Wenn man nach der Geburt mit dem Eimer füttert, spart man Milch: Da kommen nur acht Liter rein. Saugen die Kälber aber am Euter, saugen sie immer mehr - je größer sie werden. 

Wie viel Milch brauchen Sie, um einen Laib Käse herzustellen?
Für einen Schnittkäse zehn Liter Milch. Also könnte ich sieben Kilo Käse mehr machen. 

Aber wenn das Kalb gestillt wird, wird es doch auch schneller kräftig…
Ja und die Kälber sind vitaler, nicht so anfällig für Durchfall und Erkältungen. Ein großer Pluspunkt!

Isabella Hafner


Der Thalhof wird seit 1929 biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Die Milch aber auch Käse, Joghurt und Quark, die in der hofeigenen Käserei hergestellt werden, gibt es von Ulm aus als nächstes im Langenauer Edeka zu kaufen. Aber auch direkt am Thalhof selbst. Eine Liste mit deutschen Höfen, die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht betreiben hat die Welttierschutzgesellschaft veröffentlicht:
welttierschutz.org/hofliste-mit-mutter-oder-ammengebundener-kaelberaufzucht/