Ulm goes unverpackt

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Ulm goes unverpackt

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Neigt sich das Plastikzeitalter dem Ende zu? Schließlich hat mittlerweile jeder kapiert, dass es allein Jahrhunderte dauert, bis eine Tüte verrottet. In fast jeder deutschen Großstadt gibt es mittlerweile Unverpackt-Läden. Auch in Ulm soll es im Frühjahr soweit sein.

Gemüse liegt in offenen Holzkisten. An der Wand hängen große, gläserne Behälter, gefüllt mit Nudeln und Linsen in allen Variationen und warten darauf, dass jemand den Hebel betätigt und sich etwas in seine mitgebrachte Tupper füllt. Außerdem stehen Tee, Reis, Säfte, Öle und Müslis in Schütten oder bauchigen Gefäßen aus Glas zur Auswahl. Ums Eck gibt’s duftende und farbig marmorierte Seifen, Zahnpasta zum Selber-Anrühren mit Pulver und Bambus-Zahnbürsten.

Unverpackt-Läden schießen seit ein paar Jahren in deutschen Großstädten nur so aus dem Boden. Schließlich ist es ziemlich out Plastik zu benutzen. Und so könnte der hippe Unverpackt-Laden „Klare Kante“, mit dem vielen Holz, der Kreideschrift auf Tafelfarbe und der integrierten Kaffee-Bar in jeder deutschen Großstadt stehen. Aber in einer Gasse in der Weißenhorner Altstadt? Neben barocken Fassaden und traditionellen Geschäften? Doch genau dort hat sich der 34-jährige André Wieland - der selbst total regional ist und auch seine Angestellte (seine Mutter) - vor drei Jahren mit dem Laden eingenistet. Nicht nur junge, hippe Kundschaft geht dort ein und aus. Auch einige Weißenhorner Omas schauen herein und fühlen sich an ihre Kindheit erinnert, als es noch keine Plastikverpackungen gab und es deshalb ganz normal war, Lebensmittel unverpackt zu kaufen. In einer Papiertüte oder im Karton. Auch bedarfsgerecht - so viel, wie man brauchte. So wurde weniger weggeschmissen.

Nun steuert André Wieland Ulm an. Im Frühjahr will er in einem Haus am Platz hinterm Metzgerturm - zwischen Donaustadtmauer und schmalen, alten Häuschen - einen Ableger eröffnen. Am liebsten würde er noch Tische und Stühle auf das Plätzchen stellen. Doch aktuell ist der Platz noch voll geparkt mit Autos. So wird man also seinen Cappuccino im Inneren trinken müssen. Doch wer weiß… Früher war auch der Münsterplatz ein einziger großer Parkplatz.

Bis Ende des Jahres befindet sich noch ein Frisörgeschäft im künftigen Ulmer Unverpackt-Laden. Im Januar aber darf André Wieland dann rein, um die Räume auszumessen und mit der Umgestaltung anzufangen. Die Schüttspender aus Glas und Holz lässt er sich anfertigen. Aber die Möbel wird er wieder versuchen aus Dachböden und Kellern zusammen zu sammeln. Er sagt: „Wie in Weißenhorn werden wir da wieder einiges upcyceln statt neu kaufen. Aber es muss natürlich zum Ambiente passen, soll nicht durcheinander wirken.“

Wichtig ist dem Unverpackt-Chef, dass es im Ulmer Laden eine Küche gibt. „Wir wollen nämlich Hafermilch selbst machen und in Mehrwegflaschen den Kunden mitgeben.“ Auch jetzt stellt er  schon Hafermilch her. Doch die Weißenhorner machen einen Bogen darum. Er ist sich aber sicher, dass das Ulmer Stadt-Klientel die Hafermilch gut annehmen wird. Und verrät: „Ich habe noch einige andere ,Milch’-Rezepte ausprobiert, die gut schmecken und etwas Neues sind…“

Welche Hersteller aus der Ulmer Region dann das Sortiment bestücken werden, ist noch nicht ganz klar. Ohnehin können nicht alle Produkte regional sein. „Nüsse oder Kaffee zum Beispiel“, sagt André Wieland. Doch er versucht sie von Herstellern zu beziehen, die möglichst nah sind. „Erstes Gebot bei uns ist aber: möglichst verpackungsfrei.“ Das müssen die Hersteller erfüllen. Bio sind ebenfalls alle Produkte. Fairtrade sind nicht alle. „Denn es gibt viele Fairtrade-Waren einfach  nicht ohne Verpackung zu kaufen.“

Parallel zum neuen Unverpackt-Laden tun sich gerade etwa dreißig Ulmer und Neu-Ulmer zusammen, um eine Unverpackt-Kooperative zu starten. Einige von ihnen beziehen bereits ihr Gemüse als Mitglieder der Solidarischen Landwirtschaft (wir berichteten in der letzten Ausgabe) unverpackt und regional von einem Bauern in der Nähe Neu-Ulms. Weder André Wieland noch die Unverpackt-Kooperative sehen sich als Konkurrenz zueinander. Wieland: „Es geht hier um einen höheren Sinn. Es ist doch super, wenn immer mehr Menschen auf Verpackungen verzichten wollen.“

Die Initialzündung für die Unverpackt-Kooperative stammt von Antonia Hagen. Die 18-jährige will voran treiben, dass Lebensmittel wie zum Beispiel Haferflocken, Mehl, Linsen, Buchweizen, Hirse, Reis, Leinsamen, Nüsse und Zucker lose in die Haushalte gelangen können. Ihr und der Kooperation, die aktuell noch am Anfang der Planungen steht, ist es wichtig, dass die Produkte möglichst bio und regional sind. Wie streng das gehandhabt werden soll, wird noch diskutiert. In Großpackungen sollen die Produkte dann an einen Standort - er wird noch gesucht - geliefert werden, sodass im Laufe von ein, zwei Tagen jeder seine bestellte Menge dort abholen kann.

Text und Fotos: Isabella Hafner

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Kontakt Klare Kante:
klarekanteunverpackt.de
unverpacktkoop@gmx.de