Ein super Markt!

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Ein super Markt!

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Mehrere große Taschen hat Birgit Imbrogno dabei, als sie an dem kleinen Stand mit dem Ziegenkäse stehen. Und sie schlägt zu. Birgit Imbrogno: „Am liebsten habe ich den Ziegenkäse mit der Kräuterummantelung. Heute probiere ich Mal den Quark aus Ziegenkäse aus. Der Ziegenkäse mit Feigen, den ich beim letzten Mal getestet habe, war sensationell!“

Jede Woche radelt die Offenhausenerin am Samstagvormittag an der Donau entlang zum Markt auf dem Münsterplatz. „Wenn ich jetzt hier richtig einkaufe, muss ich nicht mehr groß in den Supermark.“ Jedesmal kaufe sie noch mehr. Trotzdem seien die Produkte, die hier auf dem Markt überwiegend in der Region produziert wurden, nicht unbedingt teurer als im Supermarkt.

Heute hat Birgit Imbrogno ihre Freundin Petra Henle dabei. Die gebürtige Ulmerin wohnt in München. Wenn sie zu Besuch ist, ist der Trip zum Markt Pflicht. „Der Viktualienmarkt in München ist nix. Der ist wie eine Apotheke, da kann man nicht viel einkaufen, wenn man so viel isst wie wir. Sooo teuer.“ Auf dem Ulmer Markt mit ihrer Freundin ist auch noch immer eine Sache Pflicht: „Am Ende gibt’s immer ein Fischweckle! Das ist Tradition.“ Ein netter Nebeneffekt: Bekannte treffen die beiden Freundinnen auf dem Markt auch immer.

Die beiden Frauen beobachten, dass seit Corona noch mehr als sonst hier los ist. Birgit Imbrogno meint, das könnte auch daran liegen, „dass man hier keinen Mundschutz tragen muss - wie es ansonsten im Supermarkt Pflicht ist. Und dass der Markt für viele ein Event ist… In Zeiten, in denen man nicht so viel anderes machen kann. Ich glaube, da bleiben auch in Zukunft viele, die ihn jetzt für sich entdeckt haben, hängen.“ Beim Geflügelstand waren die beiden Frauen schon. „Jetzt geht’s zum Metzger. Oh, zu den Eiern muss ich auch noch. Und dann gehen wir noch zum Bäcker und dann zum Obst.“

Auch für Jakob Lencer, der seit drei Jahren aus Schemmerberg - zwischen Laupheim und Biberach - mit den Produkten seiner 35 Ziegen vertreten ist, hat der Markt eine große Bedeutung. „Die einzige Vermarktung für uns.“ Er findet es wunderbar, die Resonanz der Kunden hier direkt mit zu bekommen. Die Hälfte sei Stammkundschaft, die es schätze, dass er in der kleinen Käserei am Hof, den Käse selbst herstelle. Neue Kunden muss er oft erstmal an den Ziegenkäse heran führen. „Viele denken erstmal, der schmeckt nach Ziege. Wir lassen dann probieren.“ Die meisten würden dann merken: Der schmeckt ganz sanft und nicht nach Ziege.

Am Bäckereistand „Grünes Korn“ gibt Levente Török gerade dem Chef persönlich, Martin Schmidt, Bescheid. Leider muss er seine Dauerbestellung ein paar Monate aussetzen. Er, der am Theater Ulm der erste Kapellmeister ist, hat in der nächsten Zeit nämlich ein Engagement in Österreich. Normalerweise holt er hier jeden Mittwoch und Samstag sein Mischbrot. Einerseits, weil er kleine Bäckereien aus der Region unterstützen will. Andererseits, weil er hier sein Brot glutenfrei bekommt. Wie so alle anderen Backwaren. Er hat sich schon durchs komplette Sortiment getestet. „Man würde am liebsten alles kaufen. Auch die Süßigkeiten.“ Verfallen ist er, zugegebenermaßen, den Nougattalern. „Wenn man einer Sünde begegnen will, kauft man einen solchen Nougattaler!“
Grünes Korn-Chef Martin Schmidt macht sich auch gerne jede Woche auf den Weg von Weingarten nach Ulm: „Das ist ein besonderer Markt. Groß, lebhaft und es gibt besondere Stände, die man sonst nicht so sieht: den Honigstand zum Beispiel, den Stand mit Wildfleisch, da drüben Feinkost, der Gemüsestand gegenüber mit den ausgefallenen Tomatensorten… Das Flair unterm Münster ist auch toll.“

Der Stand gegenüber, in 1A-Lage, ganz im Zentrum des Wochenmarkts, gehört der Familie Timo Kraus aus Ditzenbach-Auendorf. Wie ein großer Bienenstock sieht es dort aus. Gläser mit Honig in allen Gelbtönen. Auch Pollen - das sogenannte Bienenbrot -, das gut fürs Immunsystem sei.  Außerdem gibt es Wachs-Pellets für all die, die sich selbst Wachstücher zum Einpacken von Brotzeit machen wollen. Doch noch eine zweite Farbe ist an diesem Stand präsent: Rot. Diese Farbe steckt in den Gläsern mit Hägamark. So heißt diese Spezialität aus seinem Heimatdorf. Übersetzt: Hagebuttenmark. Das Mark aus den Hagebutten - die Frucht der Wildrose - zermalmen und passieren die Maschinen. Direkt am Hof. Timo Kraus übt dieses Handwerk schon in sechster Generation aus. Früher gab es viele Hägemarkbetriebe in Auendorf - heute sind noch drei davon übrig.

Aus der Not heraus begann vor 150 Jahren seine Ur-Ur-Ur-Oma Anna Schneider Hagebutten zu verarbeiten, die in und um Auendorf wuchsen. Sie war Witwe und musste Geld verdienen. Zog mit Leiterwagen und ihren gefüllten Holzbottichen als Kleinunternehmerin von Haus zu Haus durch die Dörfer. Und mit ihrem Holzbottich kam sie auch schon auf den Ulmer Wochenmarkt. Ihre Kunden brachten Behälter mit und sie schabte ihnen kiloweise Paste aus dem Bottich, um Marmelade zu machen.

Timo Kraus stellt in letzter Zeit fest, dass die Kunden, die das Mark kaufen, so viele verschiedene Ideen aus dem Internet oder aus Kochzeitschriften haben, was sie aus dem Vitamin-C-haltigen Hägamark machen können. „Sie machen auch Suppen und Saucen daraus.“

Sein Nachbar auf dem Wochenmarkt ist die Wildmanufaktur aus Gosbach. Wie der Honig und das Hägamark kommen auch die Fleischstücke, die in der Kühltheke der Manufaktur vakuumiert liegen, aus der Nähe von Ditzenbach. Richtung Unterdrackenstein, im Tal, befindet sich das Damwildgehege der Wildmanufaktur. Aber auch das Fleisch von Rehen und Hirschen bezieht die Wildmanufaktur aus der nahen Umgebung: von Sigmaringen bis Heidenheim und viel aus Laichingen, sagt Verkäufer Ralf Mayer. Und: „Die Wollschweine hier, die Weiderinder, die hält unser Metzgermeister - er ist auch Landwirt - im Neckartal bei Nürtingen. Etwa dreißig Tiere, im Freiland und die werden nur mit eigenem Futter gefüttert.“

Das Besondere sei: Die Wildmanufaktur lässt nur vom Ansitz aus ihr Wild schießen - statt per Treibjagd die Tiere zu hetzen. Auch Frischlinge und Wildhasen kämen nicht in Frage. Ralf Mayer sagt:  „Wild kommt bei den Leuten immer besser an. So schlimm das klingt, aber wir profitieren von Corona. Weil die Leute durch den Skandal mit Tönnies langsam umdenken und Wert auf regionales Fleisch legen, das eben seinen Preis hat.“ Das Wild am Stand kann mitunter sehr exklusiv sein. Da kosten dann hundert Gramm zwei bis acht Euro. Ralf Mayer zeigt auf ein eingeschweißtes Päckchen: „Die aufgelösten Rehrückenlachse hier: 7,99 Euro für hundert Gramm. Das ist das allerbeste Stück vom Reh!“ Aufgefallen ist ihm außerdem in letzter Zeit, dass immer mehr Menschen mittlerweile auch Wild auf ihren Grill legen.

Text und Fotos: Isabella Hafner