Kinderarbeit auf der Spur

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Kinderarbeit auf der Spur

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Seit Jahresbeginn ist es in Kraft. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. Was sich genau dahinter verbirgt, erklärt uns Prof. Dr. Martin Müller, Leiter des Instituts für nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Ulm.

Herr Müller, das neue Lieferkettengesetz sorgt seit Beginn des Jahres für Handlungsbedarf. Was sind die größten Herausforderungen für die Betriebe?
Ob man direkt von der Regelung betroffen ist, kommt erst einmal auf die Größe des Unternehmens an. Des Weiteren ist natürlich wichtig, in welcher Branche man aktiv ist und ob man zum Beispiel große Konzerne als Partner hat. Denn diese wollen nun Auskunft haben über die Herkunft der angebotenen Rohstoffe wie Eisenerz, Kupfer, Blei oder Gold, Früchte oder Nüsse. Das erfordert eine entsprechende Recherche, eine Dokumentation und Überprüfung, ob Maßnahmen eingehalten werden. 

Das Gesetz gilt erst einmal für Unternehmen, die mehr als 3.000 Beschäftigte haben?
Noch ist das so. Von kommendem Jahr an sind dann auch Betriebe mit bis zu 1.000 Angestellten und Arbeiter unmittelbar von der gesetzlichen Einhaltung der Sorgfaltsflicht betroffen. Doch wie bereits erwähnt gibt es schon jetzt Partner, die bereits eine anlassbezogene Risikoüberprüfung machen möchte.

Gilt das Gesetz in der ganzen EU?
So eine Regelung wird diskutiert. Ein Vorschlag, der deutlich über das deutsche Gesetz hinausgeht, liegt auf dem Tisch. Im Moment hat jedes Land seine eigenen Gesetze. In Frankreich gilt der Nachweis der Sorgfaltspflicht nur für Firmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden.

Genügt es mögliche Missstände aufzudecken?
Nein, das ist nicht genug. Man muss festgestellte Vergehen oder Unregelmäßigkeiten auf jeden Fall beseitigen. Und man muss auch untersuchen, ob die eingeleiteten Maßnahmen auch wirksam waren. Wenn man keinen Einfluss auf die Situation vor Ort hat, muss man als Unternehmen auf jeden Fall nachweisen, dass man alles versucht hat, eine Lösung zu finden und anzustreben. 

Kommt es oft vor, dass man trotz aller Anstrengungen keinen Einfluss auf Menschenrechtsverletzungen ausüben kann?
Eigentlich nicht, zur Not muss man sich von dem Lieferanten trennen. Eine Möglichkeit für kleine und mittelständische Betriebe besteht darin, sich mit anderen Unternehmen zusammenzuschließen und Initiativen zu bilden, die den Druck erhöhen können, sie sind ja oftmals nicht die alleinigen Abnehmer von Rohstoffen. 

In welchen Ländern ist es schwierig, die Arbeitsbedingungen zu kontrollieren? 
Hier muss man afrikanische Ländern nennen, Asien, aber auch in Südamerika. Auch in Indien gibt es Probleme. Das hängt immer von der Branche ab. 

Welche Probleme treten denn am häufigsten auf?
Es betrifft viele Themen, darunter Menschenrechte, Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung, Überstunden, Korruption oder auch das fehlende Recht zur Vereinigungsfreiheit, so dass keine Betriebsräte eingesetzt werden können

Wie kann man mögliche Menschenrechtsverletzungen vor Ort feststellen und dokumentieren?
Zum Beispiel durch Auditierungen, die durch Expertenteams von spezialisierten Dienstleistern an den entsprechenden Standorten durchgeführt werden. Hier muss zum Beispiel überprüft werden, ob es von allen Mitarbeitenden eine Personalakte gibt, in der das Alter klar erkennbar und durch einen Pass verifiziert ist. Man sollte Interviews führen und Betriebsbesichtigungen machen und zum Beispiel auch prüfen, ob es eine dokumentierte Arbeitszeiterfassung gibt. Wichtig ist, und das ist für viele Unternehmen eine große Herausforderung, dass man letztendlich über eine transparente Kette verfügt, in der alle einzelnen Schritte lückenlos überprüfbar sind. Dabei muss man berücksichtigen, dass es in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Gesetze oder Nomen gibt. Dies ist alles nicht trivial und kostet auch Geld, da man immer Spezialisten in die einzelnen Länder schicken muss.  

Und was passiert, wenn nach Abreise der Auditoren die Maßnahmen nicht mehr eingehalten werden?
Diese Kritik gibt es natürlich schon lange. Wichtig ist, dass man einen Prozess aufsetzt. Wenn eine Firma im Prinzip alles gemacht hat, was in ihrer Macht steht, denn kann sie für Menschenrechtsverletzungen nicht haftbar gemacht werden. Können Vertragsverletzungen nachgewiesen werden, kann natürlich die Lieferbeziehung beendet werden. Wenn ich diesen Prozess jedoch nicht sorgfältig aufgebaut habe, und es gibt gar keine Menschenrechtsverletzung, drohen trotzdem hohe Bußgelder. Denn das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle prüft, ob der Prozess prinzipiell geeignet ist, Risiken zu identifizieren und Menschenrechtsverletzung zu entdecken und abzustellen. Gibt es diese Dokumentation nicht, kann es teuer werden. 

Wie groß ist denn der Mehraufwand für die Unternehmen? 
Es hat alles zwei Seiten. Klar kommen nun auf die Unternehmen mehr Kosten und mehr Aufwand zu. Man muss aber auch sehen, dass man Jahre lang von den negativen Folgen der Globalisierung profitiert hat. Man musste eben nicht so genau hinsehen und erkennen, wie die Arbeit in südamerikanischen Bergwerken oder auf afrikanischen Plantagen abläuft. Man wollte es einfach nicht wissen. Hauptsache die Rohstoffe waren billig und die Qualität stimmte. Durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird nun klar, dass es eben unhaltbare Zustände gibt, die es zu bekämpfen gibt. 

Die Fragen stellte Stefan Loeffler