Der Netzwerker

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Das Netz der Fernwärme Ulm GmbH weitet sich unter unseren Straßen aus. Langsam, aber stetig. Der neue FUG Vertriebsleiter Simon Schöfisch freut sich, dass die Zahl der Anschlüsse in nur einem Jahr verdoppelt werden konnte.

Beringer Straße, Robert-Dick-Weg oder Sonnenhalde. Simon Schöfisch findet alle Straßen und Gässchen auf Anhieb auf dem Stadtplan. Der 38-Jährige kennt sich aus. Und das nicht nur auf dem Papier, denn in seiner Funktion als neuer Vertriebsleiter der Fernwärme Ulm GmbH ist er auch oft vor Ort bei den Menschen, die sich für einen Anschluss an das stetig wachsende Wärme-Nahversorgungsnetz interessieren. 

Die Nachfrage ist groß, und wenn Simon Schöfisch nicht Keller, Gebäude, Vorgärten und Straßen inspiziert, ist er im Büro am Telefon mit Bürgern im Gespräch. Denn die oftmals durch Energiekrise und Klimawandel verunsicherten Menschen haben eine Menge Fragen.  Simon Schöfisch: „In den vergangenen zehn Jahren hat sich viel getan. Auch wenn heute viel mehr Menschen wissen, was sich hinter dem Begriff Fernwärme verbirgt, ist weiterhin eine intensive Aufklärungsarbeit notwendig.“ Dann erläutert er zum Beispiel, wie Fernwärme entsteht, wie lange man benötigt bis eine Leitung verlegt ist und wie hoch die Kosten sind.  

„Viele wollen kurzfristige Lösungen und können es sich einfach nicht vorstellen, welcher logistischer und technischer Aufwand hinter der Erweiterung des Netzes steckt. Das muss langfristig geplant werden. Auf die Schnelle geht da im Grunde gar nichts“, so der junge Familienvater, der deshalb viele Häuslebesitzer und Geschäftsführer um Geduld bitten muss. 

80 Gebäudeanschlüsse im Jahr

Und das, obwohl er die Wünsche nach einer schnellen Lösung oftmals durchaus nachvollziehen kann: „Die meisten kümmern sich erst dann um eine neue Heizung, wenn die alte ihren Geist aufgegeben hat und eben nicht schon Jahre vorher.“ 

In diesem Jahr schließt die FUG mit etwa 80 Gebäuden mehr als doppelt so viel an das Netz an als im Vorjahr – von Einzelhaushalten bis Unternehmen. Klingt wenig? Nicht für Simon Schöfisch: „Man muss immer berücksichtigen, dass wir von der FUG beim Ausbau ja nicht immer der alleinige Herr des Verfahrens sind.“ Sämtliche Baumaßnahmen müssen mit der städtischen Bauplanung und anderen Gewerken abgestimmt, die Auslastung der beauftragten Firmen eingeplant und städtische Sperrfristen berücksichtigt werden. Da stecke eine Menge Feingefühl dahinter: „Keiner möchte doch, dass dieselbe Straße drei Mal im Jahr aufgerissen wird.“

Deshalb gehört es zu seiner täglichen Arbeit Interessen abzuwägen und auszuloten, was machbar ist – und auch effizient. Simon Schöfisch: „Es macht durchaus Sinn, Quartiere mit einer Vielzahl von Wohnungen vorrangig zu berücksichtigen als einzelne Reihenhaussiedlungen.“ Ein gutes Beispiel sei das Neubaugebiet „Am Weinberg“ auf dem Eselsberg, wo derzeit nahezu 900 Wohneinheiten entstehen. Doch bitte nicht falsch verstehen. Denn auch Anfragen von privaten Hausbesitzern aus Bestandsgebieten werden sehr wohl ernst genommen und entsprechende Angebote verschickt: „Neue Trassen erweitern ja auch immer die Möglichkeiten für weitere Verzweigungen und Anschlüsse.“ 

Für Simon Schöfisch, der in Amstetten auf der Schwäbischen Alb wohnt, ist Ulm in Bezug auf den Ausbau von Fernwärme auf einem guten Weg, steht im Vergleich zu so manch anderer deutschen Stadt sehr gut da. Ein Erfolg, der auch historisch gewachsen ist. Denn das erste Dampfkraftwerk mit zwei Turbogeneratoren wurde in der Ulmer Einsteinstraße bereits 1910 in Betrieb genommen. Setzte man damals noch komplett auf Dampf, so fließt heute heißes Wasser durch die neuen Leitungen. Im Jahr 1995 erfolgte dann die Gründung der Fernwärme Ulm GmbH, an der zu jeweils 50 Prozent die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH (SWU) und die EnBW Energie Baden-Württemberg AG beteiligt sind. Der Anteil der erneuerbaren Energien beträgt bei der Aufbereitung der Ulmer Fernwärme aktuell stolze 64 Prozent.  

Ausbau auf gutem Niveau. Tendenz steigend.

Doch auch Ferndampf wird heute noch genutzt, und das überwiegend für Haushalte im Innenstadtgebiet. Deshalb zählt der Vertriebsleiter, der zuvor bei den Ulmer Stadtwerken tätig war, die sukzessive Umrüstung der alten Rohre auf die neue Technologie zum Ausbau des Fernwärmenetzes dazu. Etwa 35-40 Prozent der Gebäude sind im Stadtgebiet bis dato angeschlossen: „Ich finde, dass dies für eine Stadt mit der Größenordnung von Ulm ein beachtliches Niveau ist. Tendenz steigend.“ 

Seit über drei Monaten ist Simon Schöfisch, der seinen Master in Erneuerbarer Energietechnik gemacht hat, nun in seinem Amt, das ihm nach wie vor Spaß macht: „Ob das nun meine Mitarbeiter oder die Bürger vor Ort sind, mir ist der Kontakt zu anderen Menschen sehr wichtig. Ich habe einfach Freude daran, etwas zu bewegen.“ Und das eben in möglichst vielen verschiedenen Straßen und Gässchen der Stadt.  


In vier Schritten zur Wärmewende

Die Stadt Ulm ist eine von 104 Baden-Württembergischen großen Kreisstädten bzw. kreisfreien Städten, welche durch das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) verpflichtet worden sind, bis 31. Dezember 2023 einen Kommunalen Wärmeplan (KWP) vorzulegen. Ziel dieses Konzeptes ist es, in vier Schritten eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu planen. Der Wärmeplan ist dadurch einer der wichtigsten Prozesse für eine Kommune, um die Klimaschutzziele im Wärmebereich zu erfüllen. 

In der Bestandsanalyse werden u.a. der Wärmebedarf und die Versorgungsinfrastruktur der Gebäude erhoben. In der nächsten Phase, der Potenzialanalyse, werden mögliche Sanierungsgebiete, aber auch der verstärkte Einbezug von erneuerbaren Energien und Abwärme betrachtet. Im dritten Schritt werden Zielszenarien definiert, um schnellstmöglich eine klimaneutrale Wärmeversorgung für Ulm zu planen. Im letzten Baustein der kommunalen Wärmeplanung werden auf Grundlage der vorgelagerten Prozessschritte Maßnahmen definiert, um die kommunale Wärmewende anzustoßen.

Einladung zum Infoabend

Am 04. Oktober lädt die Stadt Ulm alle interessierten Bürgerinnen und Bürger in das Stadthaus zum Infoabend „Kommunaler Wärmeplan Ulm“ ein, um über den aktuellen Stand und die weiteren Maßnahmen zu informieren. Zudem können die Gäste Fragen an die Vertreter der Stadtwerke Ulm (SWU), der Fernwärme Ulm (FUG) und der Stadtverwaltung richten. Beginn ist um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Stefan Loeffler